<p>Aussenansicht&nbsp;</p><p>Bild © Doro Dietz</p>
<p>Ansicht Vadianstrasse</p>
<p>Ansicht Kanzleigasse</p>
<p>Querschnitt</p>
<p>Grundriss Aufstockung</p>
<p>Grundriss Erdgeschoss</p>
<p>Aussenansicht&nbsp;</p><p>Bild © Doro Dietz</p>
<p>Innenansicht&nbsp;</p><p>Bild © Doro Dietz</p>

Textilmuseum St. Gallen

Mit Leichtigkeit erhält die Schweizer Textilindustrie im St. Galler Stickereiquartier eine museumsreife Zukunft.

Seit 1886 steht der prächtige «Palazzo Rosso» als stolzer Repräsentant der geschichtsträchtigen Schweizer Textilindustrie im Stickereiquartier St. Gallen. Gekonnt verweben die gemauerten Backsteinfassaden Industriearchitektur mit Motiven klassizistischer Palastbauten. Die mit Tripartita, Blendarkaden und Piano Nobile wohlproportionierten Fassaden bilden das Fundament der neuen Aufstockung, welche sich in ihrer Fassadengliederung, Dach- und Traufhöhe an der alten Bausubstanz und Umgebung orientiert. Dabei wird die 1956 hinzugefügte Erhöhung des Mittelrisalits rückgebaut, so dass der Massivbau seine ursprüngliche Silhouette zurückerhält und seine markanten Dachgesimse wieder den visuellen Abschluss des Baukörpers bilden.

...

Bekleiden, umhüllen, dekorieren, schützen – seit jeher sind Textilien ständige Begleiter des Menschen. Wenn auch meist unscheinbar, sind sie auch im öffentlichen Raum in Form von Markisen, Fahnen, Gerüstverkleidungen oder Wäscheleinen allgegenwärtig. So ist auch die Erweiterung als textile Hülle konzipiert, welche sich in ihrer ephemeren Erscheinung dezidiert vom Bestand unterscheidet. Eine filigrane Skelettbauweise mit gespannten Metallgeweben strickt den Fassadenrhythmus des Bestands weiter und setzt Struktur und Ausdruck in eine wechselseitige Beziehung. Zwischen die Doppelstützen eingespannte Konsolen kragen in den Strassenraum aus, erinnern entfernt an Reklametafeln oder Erker und vermitteln in ihrer Tiefe zur Plastizität des Massivbaus. Vielmehr verweisen sie aber auch auf die früheren «Tröcknetürme», an denen frisch gefärbte Stoffbahnen aufgehängt wurden. Aus der Strassenperspektive betrachtet, überlagern sich die leicht transparenten Gewebe zu einer mattschimmernden Krone, deren Wahrnehmung sich im Tageslichtverlauf und in der Bewegung stets verändert.

Das symmetrische Fassadenbild zur Vadianstrasse mit der zentralen Erschliessung ins Hochparterre wird aus denkmalpflegerischen Überlegungen unverändert erhalten. Der schwellenlose Zugang geschieht über einen attraktiven Aussenbereich an der Seitengasse, welcher das lebhafte Museum mit seinem stimmigen Café sichtbar nach Aussen trägt. Im Innern angedacht sind zwei neue Vertikalerschliessungen im Bereich der heutigen Nebenräume, wodurch die Haupttreppe und die Korridorbereiche von Brandschutzanforderungen befreit werden, mit den Haupträumen einen offenen, attraktiven Museumsrundgang erlauben und als erweiterte Ausstellungsflächen grösste szenografische Freiheiten ermöglichen.

Durch den Rückbau der Aufstockung aus den 1950er Jahren entsteht ein Vertikalraum, welcher das dritte Obergeschoss räumlich mit dem neuen Dachgeschoss verbindet. Letzteres wird durch eine filigrane Raumtragwerkkonstruktion stützenlos überspannt, an deren Unterstäbe Exponate aufgehängt werden können, ähnlich den früheren Tuchhängedächern. Ein Fensterband erlaubt in geöffnetem Zustand den Ausblick über die Stadt, je nach Sonnenstand taucht das vorgehängte Fassadengewebe den Innenraum in ein verführerisches Licht-Schatten-Spiel. Der mehrlagige Schichtenaufbau heutiger Fassadenkonstruktionen wird hier erfahrbar, der Begriff der «Curtain Wall» gewissermassen verbildlicht.

Es sind sowohl poetische Alltagssituation als auch Fragmente der früheren Textilindustrie, die unseren Entwurf inspirieren. Darin liegt das grosse Potenzial der Architektur: sie bringt Erinnerungen zum Sprechen und verweist auf weitgehend vergessene Zusammenhänge. Mit einfachen, angemessenen Mitteln entsteht eine massgeschneiderte, zeitlose Krone, die weit über die Schweizer Museumslandschaft ausstrahlt.


TEAM SKOP

Tiziana Fischer, Basil Spiess, Silvia Weibel Hendriksen, Martin Zimmerli

AUFTRAG

Verfahren
offener Wettbewerb

Jahr
2020

Bauherrschaft
Stiftung Textilmuseum St. Gallen